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Tragschraubertechnik

In diesem kurzen Abriss wird die Technik nur im wesentlichen dargestellt, es ist nicht beabsichtigt, ein Lehrbuch zu ersetzen. Die Darstellung ist bewusst wenig akademisch gehalten und fokussiert auf die konstruktiven Merkmale heute geflogener ultraleichter Tragschrauber.

Inhalt: 

Autorotationsprinzip     Autorotation unter Fahrt    Grundaufbau und Steuerung    Rotordrehzahl    Rotorauftrieb und Widerstand     Vorrotieren


Innerhalb der Klasse der Drehflügler unterscheidet man zwischen Tragschraubern, Flugschraubern und Hubschraubern, die sich folgendermaßen unterscheiden:

Autorotationsprinzip

Vertikale Autorotation:

Voraussetzung für die Autorotation ist stets eine Anströmung des Profils des Rotors. Dazu muss der Rotor vorbeschleunigt werden. Das kann von Hand, durch mechanischen Abgriff vom Motor oder durch andere Verfahren erfolgen. Ein Beschleunigen des Rotors alleine durch Rollen aus dem Stand heraus ist nicht möglich.

Während der senkrechten Autorotation dreht der Rotor mit ca. 300/min. Das Gerät sinkt mit ca. 6 m/s. Dabei hat das Rotorblatt an der Spitze eine Geschwindigkeit von etwa 450 km/h, die zur Wurzel hin gegen 0 geht. Gegenüber der Drehebene hat das Profil, meist NACA 8H12, einen Einstellwinkel von rund +2° (teilweise sind die Blätter auch geschränkt).

Durch die Sinkgeschwindigkeit und die über den Radius wachsende Vorwärtsgeschwindigkeit bedingt ergeben sich von der Blattspitze zur Wurzel hin zunehmende positive Anstellwinkel. Das wiederum erzeugt im Außenbereich des Rotorblatts eine Kraftkomponente in Drehrichtung, also in Richtung der Rotorebene, die nach hinten gerichtet ist und das Blatt bremst. Im Innenbereich hingegen wird das Profil stärker von unten her angeströmt, hat also einen höheren Anstellwinkel. Dadurch "neigt" sich die Kraftrichtung so weit nach vorne, dass die Komponente in Drehrichtung nach vorne zeigt, und daher das Blatt beschleunigt wird. Schematisch sieht das so aus:

 

Abb.: Verhältnisse im Aussenbereich des Rotors, schematisch. Erläuterung im Text.

Gelb dargestellt ist die Anströmung, grau die resultierende Luftkraft. Die Luftkraft wurde in der Darstellung nicht in die Komponenten Auftrieb und Widerstand (definitionsgemäß ist der Auftrieb senkrecht zur Anströmung gerichtet und der Widerstand in Richtung der Anströmung) zerlegt, sondern in die Kraft senkrecht zur Rotorebene und die Kraft in Richtung der Rotorebene, d.h. in Bewegungsrichtung, die Tangentialkraft, unterteilt. Die Tangentialkraft ist gegen die Bewegung gerichtet und bremst daher den Rotor.

Anders sind die Verhältnisse im inneren Bereich des Rotors. Das Profil wird weniger stark, aber mit größerem Anstellwinkel angeströmt:

 

Abb.: Verhältnisse im Innenbereich des Rotors, schematisch. Erläuterung im Text.

Mit weit geringerer Anströmung, aber bei höherem Anstellwinkel entsteht hier eine Tangentialkraft, die in die Drehrichtung zeigt und den Rotor antreibt.

Noch weiter innen ist der Anstellwinkel so hoch, dass die Strömung abreißt. Doch ist das Blatt hier so langsam, und die Hebelwirkung gering, dass der bremsende Effekt keine übergroße Rolle spielt.

Ergo: Im Innenbereich erfährt der Rotor beschleunigende und im Außenbereich abbremsende Tangentialkräfte. Der Rotor nimmt im Flug von selbst die Drehzahl ein, die über die Anstellwinkel in den verschiedenen Radien zu einem Gleichgewicht zwischen beschleunigenden und bremsenden Kräften führt.

Man kann sich das so vorstellen: Ist die Drehzahl nicht in Balance mit den antreibenden Kräften, sondern darunter, so verschiebt sich die Grenze zwischen dem antreibenden und dem abbremsenden Bereich nach außen, so dass sich der antreibende Bereich vergrößert. Dadurch überwiegen die antreibenden Kräfte die abbremsenden, mit der Folge, dass der Rotor beschleunigt, bis das Gleichgewicht hergestellt ist.

Daher stellt sich im stationären Flug auch stets die Drehzahl ein, die erforderlich ist, um den hierfür erforderlichen Auftrieb zu erzeugen: Bei höherer Beladung und ansonsten gleichen Einflussgrößen stellt sich eine höhere Rotordrehzahl ein. Beim Flug in großer Höhe bzw. bei geringerer Luftdichte ist die Drehzahl ebenfalls höher. Bei Änderungen der Rotorbelastung kommen allerdings noch Effekte der Massenträgheit ins Spiel: so muss der Rotor erst seine Drehzahl erhöhen oder verringern (und dabei Energie aufnehmen bzw. abgeben), um Änderungen der Lastigkeit effektiv umzusetzen. Man ahnt bereits, dass hier ein Grund für die Unempfindlichkeit des Tragschraubers gegenüber Turbulenzen liegt, insbesondere dann, wenn der Rotor eine gewisse Masse besitzt.    nach oben

Autorotation in Vorwärtsfahrt

Nun betrachten wir den stationären Horizontalflug.

Wichtig ist dabei, dass der Rotor stets von unten durchströmt werden muss. Das wird durch eine positive Anstellung der gesamten Rotorebene gegen die Flugrichtung erreicht. Da dieser Zustand unbedingt immer eingehalten werden muss, darf man einen Tragschrauber NIEMALS so stark andrücken, dass man in den 0-g-Bereich kommt. Er muss immer mit einer positiven Belastung geflogen werden, diese korrespondiert mit einer positiven Anströmung der Rotorebene und führt dann auch stets zu einer genügenden Rotordrehzahl.

In Fahrt wird das voreilende Blatt bis maximal um die doppelte Fluggeschwindigkeit schneller angeströmt als das rückeilende Blatt. Der dadurch hervorgerufene Unterschied im Auftrieb wäre ohne Gegenmaßnahmen enorm, beim linksdrehenden Rotor würde das Gerät um die Längsachse nach links wegdrehen bzw. sich durch die Präzession (Kreiseleffekt) aufbäumen. Die Lösung liegt in einem Schlaggelenk:

Der gesamte Rotor kann über ein Gelenk im Rotorkopf, das Schlaggelenk, um einige Grad frei schwenken, und das voreilende Blatt weicht nach oben aus. Durch die Bewegung nach oben entsteht ein geringerer Anstellwinkel und dadurch geringerer Auftrieb, oder richtiger: kein überhöhter Auftrieb. Genau in die andere Richtung reagiert das rückeilende Blatt, das nach unten ausschlägt und dadurch einen höheren Anstellwinkel realisiert.

Die Ausweichmöglichkeit (der Schlagwinkel) ist begrenzt; wenn der Rotor so stark schlägt, dass die Anschläge erreicht werden, geht die Schlagbewegung direkt in die Steuermechanik ein, man spricht vom "blade flapping". Das passiert jedoch nur dann, wenn durch zu geringe Rotordrehzahl, z.B. beim Startlauf, die Fliehkräfte nicht ausreichen, diese Bewegung zu begrenzen.

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Grundaufbau und Steuerung des Tragschraubers

UL-Tragschrauber werden heute fast ausschließlich als Pusher konzipiert. Das ursprüngliche Prinzip eines konventionellen Flugzeugrumpfes mit Rotor anstatt Fläche ist äußerst selten geworden. Die Anordnung des Motors hinter dem Mast bringt den Vorteil einer freien Sicht ohne Propellerwind im Gesicht, wenn auch die Flugstabilität weniger einfach zu bewerkstelligen ist.

Seitenruder    Weil der Rotor im Flug nicht angetrieben wird, ist der Gyrokopter so gut wie drehmomentfrei um die Hochachse und benötigt keinen Ausgleich durch einen Heckrotor. Die Steuerung erfolgt durch ein Seitenruder, das analog 3-achsig gesteuerten Flächenflugzeugen über Fußpedale gesteuert wird. Um so mehr Angriffsfläche der Rumpf vor dem Schwerpunkt hat, desto wirkungsvoller müssen Seitenflosse und ggf. Stabilisatoren sein, um auch bei höheren Geschwindigkeiten stabil zu bleiben. So mancher geschlossene Gyro hat da seine Probleme, da man in der Dimensionierung des Leitwerks generell begrenzt ist: man kann nicht zu weit nach hinten oder nach oben bauen, weil man sonst in Konflikt mit dem Rotor kommt. Zu weit vorne wird der Hebel schlechter und die Rumpfturbulenzen sind stärker. Zu weit nach unten gebaut, würde der Gyro bei der Landung mit dem Leitwerk aufsetzen.

Rotorsteuerung    Zwar wäre es generell möglich, einen Gyro mit zyklischer Blattverstellung auszustatten, doch das ist nicht verbreitet - brächte es doch kaum Vorteile um den Preis einer enormen technischen Verkomplizierung des Rotors. Indessen wird die Höhen- und Quersteuerung durch direktes Neigen des Rotorkopfs ("Kopfkippsteuerung") bewirkt, wobei meist die Richtungen wie bei 3-achsig gesteuerten Flächenflugzeugen auf einem konventionellen Knüppel liegen. Es ist jedoch auch möglich, eine Steuerstange direkt vom Rotorkopf zum Piloten herabzuführen, dabei sind dann die Steuerrichtungen vertauscht.
Im Detail funktioniert die Kopfkippsteuerung folgendermaßen: Natürlich kann man, bedingt durch die Kreiselwirkung des Rotors, diesen nicht einfach mit der Steuerung neigen. Vielmehr wird der Rotorkopf geneigt, und dabei wird, bedingt durch die Aufhängung der Blätter im Schlaggelenk, der Einstellwinkel der Blätter zyklisch verändert, und zwar genauso wie bei Helicoptern um 90° gegen die Wirkungsrichtung versetzt. Beispiel (Rotor linksdrehend): Ziehen am Knüppel -> Neigung des Rotorkopfes nach hinten -> erhöhter Anstellwinkel des voreilenden rechten Blatts, geringerer am rückeilenden Blatt -> vergrößerter Auftrieb rechts, verminderter links -> Neigung der Rotorebene nach hinten, bedingt durch die Präzession.
Konstruktionen mit kollektiver Blattverstellung sind möglich. Sie dient der Möglichkeit des Sprungstarts: Mit reduziertem Einstellwinkel wird der Rotor nicht wie üblich auf 150-250/min vorbeschleunigt, sondern erfährt eine deutliche Überdrehzahl. Dann wird mit einem mal die Vorbeschleunigung ausgekuppelt, die Blätter auf normalen Einstellwinkel geschaltet und Vollgas gegeben. Der Gyro "springt" mit der in den Blättern gespeicherten Energie einige Meter hoch, beschleunigt nach vorne und fliegt davon. Dazu ein "kleines" Video (Achtung: fast 13 MB). Leider sind solche Gyros in Deutschland nicht als Luftsportgeräte (ULs) zulassungsfähig.     nach oben

Einflussgrößen der Rotordrehzahl

Änderungen der Rotordrehzahl unterliegen immer einer kleinen Verzögerung, da die Masse der Rotorblätter erst beschleunigt werden muss - man sagt, man sollte dem Rotor immer genügend Zeit lassen, um auf Steuerbefehle zu reagieren. Diese Zeit ist um so kürzer, um so schneller der Rotor dreht.

Zu allererst hängt die Rotordrehzahl von der Lastigkeit ab. Auf Ziehen unter Fahrt, aber auch beispielsweise auf Einfliegen in eine Thermik, beschleunigt der Rotor. Umgekehrt ist es, wenn man ihn entlastet. Ballistische Kurven und andere Null-g-Manöver führen von der Normaldrehzahl binnen weniger Sekunden zu einer Rotordrehzahl, die sich in aller Regel nicht mehr retten lässt. Kritisch sind ca. 200/min. Reißt man den Gyro herum, sind Drehzahlen >450/min erreichbar. 

Doch auch die Vorwärtsfahrt spielt eine deutliche Rolle, mit größerer Fahrt steigt die Drehzahl, am geringsten ist sie in vertikaler Autorotation, doch auch dort liegt sie noch etwa > 300/min (Alle Zahlen hier sind grobe Anhaltswerte, da sie zwischen den Typen variieren)

Schließlich führt geringere Luftdichte zu höherer Drehzahl.     nach oben

Einflussgrößen des Rotorauftriebs und des Rotorwiderstands

Der Auftrieb des Rotors korreliert positiv mit der Drehzahl, der Vorwärtsfahrt und mit dem Anstellwinkel der Rotorebene. Ebenso verhält sich sein Widerstand.

Stallen durch zu starkes Ziehen lässt sich der Gyro im Fluge nicht. Im Gegenteil erhöht man dadurch die Belastung des Rotors und beschleunigt ihn.

Wie sich verschiedene Rotordrehzahlen im Flug sonst noch auswirken und andere Aspekte der Flugtechnik werden auf der Seite wie fliegt sich ein Gyro beschrieben.    nach oben

Vorbeschleunigung des Rotors

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Vorbeschleunigung des Rotors, die einfachste ist das Anwerfen von Hand. 50-60 Touren sind unterstes Limit. Viel mehr schafft man alleine auch nicht. Erst ab dieser Drehzahl wird der Rotor gegen den Wind angestellt, also der Knüppel gezogen. Falls es keinen Wind gibt, erzeugt man eine relative Anströmung durch Rollen, optimal sind am Anfang 5-10 km/h. Ist die Anströmung zu hoch, kommt der Rotor zum Schlagen ("blade flapping"), da der Rotor im Schlaggelenk in den Anschlag stößt. Das ist nicht nur schlecht für die Mechanik, durch die Flexibilität der Blätter kann das Blatt auf der rückeilenden Seite so tief kommen, dass es hinten in Leitwerk oder Boden schlägt. Ausserdem bringt es nichts, zu schnell zu rollen, da bereits vor dem Beginn des Schlagens der Rotor nicht beschleunigt: Teile des Rotors sind im Strömungsabriss und bremsen zu stark.

Es ergeben sich Geschwindigkeiten und Drehzahlen, die - ungefähr - folgendermaßen korrespondieren: 10 km/h - 90/min, 15 km/h - 120/min, 20 km/h - 150, 30 km/h - 200. 

Zumeist wird ein mechanischer Abgriff vom Motor eingesetzt, der entweder kardanisch oder über eine biegsame Welle zum Rotorkopf geführt wird. Schließlich gibt es elektrische sowie hydraulische Antriebe. Kleine Verbrennungsmotoren, die direkt am Kopf sitzen, haben sich nicht durchgesetzt.    nach oben